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Fakultät Maschinenbau

NiVaK

Entwicklung einer systematischen Vorgehensweise zur Produktionsnivellierung der variantenreichen Kleinserienfertigung (NiVaK)

Problemstellung

Produzierende Unternehmen sehen sich gegenwärtig mit der Herausforderung konfrontiert, individuelle Kundenwünsche zu befriedigen und zugleich eine optimale Kapazitätsauslastung zu realisieren. Im Zuge der Globalisierung und des Wandels von Verkäufer- zu Käufermärkten ist ein neuer Grundtrend der Kundennachfrage zu verzeichnen. Gefordert werden individuelle Lösungen zu Preisen der Massenproduktion, wodurch sich die Anzahl der zu fertigenden Produktvarianten signifikant erhöht, jedoch Absatz- und Produktionsmenge je Produktvariante einen fallenden Verlauf aufweisen.
Um am Markt trotzdem eine möglichst kurze Lieferzeit garantieren zu können, sind Unternehmen gezwungen, entweder große Endproduktbestände oder erhebliche Stillstandzeiten der Anlagen durch vermehrte Umrüstvorgänge zwischen den Varianten in Kauf zu nehmen. Um trotz steigender Variantenvielfalt möglichst kurze Lieferzeiten und zudem eine wirtschaftliche Fertigung garantieren zu können, hat sich im Kontext der Lean Production die Produktionsnivellierung (japanisch: Heijunka) als Methode der Produktionsplanung bewährt. Ziel der Produktionsnivellierung ist eine bezüglich Produktionsmix und -volumen ausgeglichene und harmonisierte Fertigung. Hierzu wird innerhalb eines festgelegten Intervalls jedes Produkt bzw. jede Produktvariante produziert. Der daraus resultierende Produktionszyklus spiegelt sich im sog. EPEI-Wert (Every Part Every Interval) wider.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung einer systematischen Vorgehensweise zur Produktionsnivellierung in der variantenreichen Kleinserienfertigung, bei der die Rahmenbedingungen zur Umsetzung konventioneller Nivellierungskonzepte im Allgemeinen nicht gegeben sind. Aufgrund der hohen Variantenanzahl in der Kleinserienfertigung ist es zunächst erforderlich, aus den zahlreichen Produktvarianten eine handhabbare Anzahl von Produktfamilien (sog. Nivellierungsfamilien) zu formieren, welche sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit gemeinsam fertigen lassen. Die Bildung der Nivellierungsfamilien erfolgt basierend auf Erkenntnissen und Methoden aus der Gruppentechnologie.

Dendrogramm zur Bildung von Nivellierungsfamilien © IPS​/​TU Dortmund
Dendrogramm zur Bildung von Nivellierungsfamilien

Im Anschluss erfolgt die Nivellierung auf Familienbasis, d. h. es werden Zeitfenster definiert, in denen die einzelnen Nivellierungsfamilien gefertigt werden. Statt der Einrichtung eines EPEI im Sinne der Produktion eines jeden Produkts in jedem Intervall, wird im Rahmen des Forschungsvorhabens für die variantenreiche Kleinserie somit das Konzept EFEI (Every Family Every Interval) entwickelt. Dabei werden jeweils die Produktvarianten einer Nivellierungsfamilie gefertigt, die aktuell durch eine Kundenbestellung nachgefragt werden. Die Festlegung der Reihenfolge der Zeitfenster sowie die Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge der Aufträge innerhalb einer Nivellierungsfamilie erfolgt rüstzeitoptimal.

Schematische Produktionsprogrammtafel © IPS​/​TU Dortmund
Schematische Produktionsprogrammtafel

Vorgehensweise

Das angestrebte Forschungsziel wird schrittweise, in Form von insgesamt sechs Arbeitsschritten erarbeitet. Zunächst werden im ersten Schritt relevante produkt-, prozess-, arbeits- und betriebsmittelbezogene Einflussgrößen zur Bildung von Nivellierungsfamilien ermittelt. Die identifizierten Einflussgrößen werden im zweiten Schritt zu einer mathematischen Bewertungsfunktion zusammengefasst, die einen automatischen Vergleich von Gruppierungsalternativen ermöglicht.

Arbeitsschritte zur Erreichung des Forschungsziels © IPS​/​TU Dortmund
Arbeitsschritte zur Erreichung des Forschungsziels

Im Anschluss daran wird, aufbauend auf den ersten beiden Arbeitsschritten, ein Algorithmus entwickelt, der die im Rahmen des Projektes entwickelte systematische Vorgehensweise zur Produktionsnivellierung in der variantenreichen Kleinserienfertigung formal abbildet. Der Algorithmus ermöglicht sowohl die Formierung der Nivellierungsfamilien als auch die Generierung des Nivellierungsmusters, d. h. die Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge der Familien bzw. der Aufträge innerhalb der Familien.
Im vierten Arbeitsschritt wird der entwickelte Algorithmus programmiertechnisch in Form eines Datenverarbeitungswerkzeug (DV-Werkzeug) umgesetzt. Im fünften Arbeitsschritt erfolgt die praktische Erprobung und Erstanwendung. Dabei werden die systematische Vorgehensweise, der Algorithmus und das DV-Werkzeug hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in der betrieblichen Praxis untersucht. Im letzten Arbeitsschritt werden die gesammelten Forschungsergebnisse in einem umfassenden Endbericht dokumentiert. Zu Dokumentations- und Transferzwecken wird zudem eine internetbasierte Informationsplattform eingerichtet. Diese bietet interessierten Unternehmen die Möglichkeit, die Forschungsergebnisse zu nutzen.

Veröffentlichungen

Deuse, J.; Birkmann, S.; Harms, T.: Einsatz der Gruppentechnologie zur Nivellierung in der variantenreichen Kleinserie, Industrie Management 23 (2007) 6, S. 45-48.

Förderhinweis

Das Forschungsvorhaben (Forschungsvorhaben Nr. 15865 N) wird aus den Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF) im Auftrag der Gesellschaft für Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik e.V. (GVB) gefördert.